Zitat – „Ihr nennt mich Menschenfeind…“, Friedrich

Ihr nennt mich Menschenfeind,
Weil ich Gesellschaft meide,
Ihr irret Euch,
Ich liebe sie.
Doch um die Menschen nicht zu hassen,
Muß ich den Umgang unterlassen.

C.D. Friedrich

Dieses Zitat ist die erste Strophe eines Gedichts des Malers Caspar David Friedrich, mit dem ich mich, ähnlich wie mit dem Krishnamurti-Zitat, auch schon hier und da etwas unbeliebt gemacht habe. Ich hatte die Zeilen vor einigen Jahren als Signatur unter meinen eMails stehen und ganz besonders meine Theater-Chefin hat sich davon immer wieder angegriffen gefühlt und mich angemotzt, ich soll es doch rausnehmen. Allein deswegen habe ich es umso länger stehenlassen. 😀

Das größte Problem, das meine damalige Chefin schließlich mit mir hatte, war meine miese Laune, die jede Woche, die wir zusammenarbeiteten, größer wurde. Kann ich ihr natürlich nicht verübeln, es ist schwierig und anstrengend mit jemandem zusammenzuarbeiten, der ständig mies drauf und pampig ist, keine Frage. Aber wenn man selbst mit seinem Gemotze die Ursache für schlechte Laune bei jemand anderem ist und dann ununterbrochen nicht nur weitermotzt, sondern permanent kritisiert und der Person die Gefühle als auch den Rückzug deswegen zusätzlich verbieten will, anstatt einfach mal bißchen auf Abstand zu gehen und ruhig zu sein, muß man sich nicht wundern, wenn da NOCH mehr schlechte Laune bei entsteht und das Ganze schließlich, mit einem großen Knall, eskaliert und einem um die Ohren fliegt. Damit will ich jetzt nicht meiner Ex-Chefin allein die „Schuld“ in die Schuhe schieben, ich bin mit der ganzen Situation auch sehr schlecht umgegangen, habe ihr streitlustig massig Angriffsfläche geliefert und hätte einfach viel früher alles hinschmeißen sollen. Ich werde nunmal fuchsteufelswild und verliere leider recht schnell die Kontrolle, wenn mir jemand a) meine Gefühle vorschreiben will, b) mir vorschreiben will, wie ich mit ihnen umzugehen und mich zu verhalten habe und c) meint, mich, nach nur wenigen Monaten, besser zu kennen als ich mich selbst, um mein Verhalten zu analysieren und kritisieren. Das sind einfach drei „no-no“s, wegen denen ich schon Freundschaften beendet habe, die letzte mit ebenjener Chefin vor drei Jahren.

Und jetzt ist mir das doch glatt vor vier Wochen wieder passiert, in einem Telefonat, das von Anfang bis Ende ein großes Mißverständnis war… Es sollte eigentlich ein vorangegangenes Telefonat klären, das bereits in einem Mißverständnis endete und letzten Endes wurde aus der ganzen Sache ein gigantisches NIXverständnis, weil mein Gesprächspartner und ich eine ganze Stunde lang an einander vorbei redeten und uns beide gegenseitig nicht klar machen konnten, was wir ausdrücken wollten. Was jedoch ganz deutlich bei mir ankamen, waren obige Punkte (a), (b) und (c) und keine Ahnung, ob das seine Absicht war, aber ich fühlte mich extrem angegriffen und danach ging bei mir sowieso der Vorhang runter.

Diesmal ist heftigst bei mir was durchgebrannt, das immer noch weh tut, aber das war der nötige Holzhammer, den ich mal wieder gebraucht habe, mir wurden ENDLICH einige weitere meinem Verhalten zugrundeliegende negativen Muster klar, über die ich mir seitdem den Kopf zermarter – was das angeht, bin ich meinem Gesprächspartner sehr dankbar, daß das Gespräch so verlief, auch wenn ich ihn vorerst „nie wieder“ sehen will, aber ich hab verstanden, wieso er meine Gefühle und mein Verhalten so interpretierte, wie er es tat, das ist Teil eines sich in seinem Leben wiederholenden Musters und hat genauso wenig mit mir zu tun, wie meine Probleme hier mit ihm, wir sind nicht die Ursachen dieser Muster, wie haben sie uns nur (unbeabsichtigt) gegenseitig aufgezeigt. Eigentlich will ich über diese neu entdeckte Muster und Themen recherchieren, das ist wieder Stoff für etliche Beiträge zur „Schattenarbeit„, aber ich habe einfach keine Lust, weder zum Recherchieren, noch dazu, mich momentan dermaßen hier zu öffnen und präsentieren und damit erneut angreifbar und verletzlich zu machen, dazu fehlt mir gerade die nötige Kraft, ich muß erst diesen vorherrschenden Schmerz verstehen und verarbeiten. Wütend bin ich auch noch ganz gewaltig, wegen sooooooo vielem, da muß ich auch noch tiefer gehen und mich eingehender mit befassen.

Was ich mit diesem Beitrag nämlich auch ausdrücken und loswerden will, sind meine Wut und Frustration zu dem Thema „Gefühle und Co.“. NIEMAND hat das Recht, mir (oder jedem anderem) vorzuschreiben, wie ich gefühlstechnisch auf etwas zu reagieren habe, was und wie ich fühlen darf und wie ich diese Gefühle auszuleben habe. NIEMAND hat das Recht, mich für meinen Umgang mit meinen Gefühlen zu kritisieren (vor allem, wenn diese Person selbst Null mit den eigenen Gefühlen umgehen kann und ein entsprechend kaputtes Verhalten an den Tag legt, das kein bißchen „besser“ als meins ist) und NIEMAND hat das Recht mich dafür zu kritisieren, daß ich überhaupt Gefühle habe!! Allem voran hat NIEMAND das Recht, mich zu verletzten und dann auch noch zu kritisieren, daß ich mich von demjenigen zurückziehen will – da muß man sich nicht wundern, wenn da plötzlich ein „Menschenfeind“ in mir heranwächst, der haßerfüllt nichts mehr von demjenigen wissen will und den Kontakt schließlich komplett abbricht. KÜMMERT EUCH GEFÄLLIGST UM EURE EIGENEN GEFÜHLE ANSTATT PLANLOS AN MEINEN RUMZUDOKTERN!!! 😡

Mir wurden in meinem Leben sehr oft meine Gefühle und daraus resultierendes Verhalten verboten, mir fielen nach dem Telefonat plötzlich sehr viele Erinnerungen aus meiner Kindheit ein, wo mir immer wieder gesagt wurde, daß ich doch überhaupt keinen Grund hätte, traurig, verletzt, wütend, beleidigt, sonstwas zu sein und ich mit meinem Kummer allein gelassen wurde, während ich mir nichts sehnlicher als Trost wünschte. Um zu überleben, habe ich es mit mir machen lassen, mir schnell selbst meine Gefühle verboten und gelernt, mich für sie zu bestrafen, weil sie „falsch“ sind und ich mich so nicht verhalten darf, sonst werde ich nicht geliebt. Ich wußte es damals halt nicht besser und hatte als kleines Kind auch nicht wirklich eine Wahl: Ein Kind tut, was die Eltern verlangen und fügt sich der bedingten Liebe, weil es sonst, als Strafe, gar keine bekommt. Das wird gerne als „Erziehung“ betitelt, ist aber leider emotionale Erpressung, die nicht nur in meinem Leben (aktiv und passiv) eine sehr große Rolle spielte, sondern auch allgemein in jeglichen zwischenmenschlichen Beziehung gang und gäbe ist (ein Beitrag ist in Planung, wird aber wohl noch dauern).

Mittlerweile bin ich 39 Jahre alt und habe, dank diesem Gespräch, ENDLICH KAPIERT, daß ich inzwischen alt genug bin, um selbst über mich zu entscheiden und IMMER die Wahl und JEDES RECHT DER WELT HABE, mich so zu fühlen und verhalten, wie ICH mich fühlen und verhalten will, selbst wenn ich mich wie das letzte rücksichtslose Arschloch aufführen will – ICH DARF DAS!! Wer damit ein Problem hat, wem mein Verhalten nicht paßt und wen meine Gefühle stören, der soll sich von mir fernhalten, ganz einfach. Ich hab die Schnauze voll, mich für andere zurückzunehmen, damit es denen gut geht und sie ihre eigenen Gefühle weiter ignorieren können, ich werde nicht länger selbst darunter leiden, mich fertig machen, hassen und schämen, weil ich meine Gefühle so miserabel unter Kontrolle habe – GEFÜHLE GEHÖREN AUCH NICHT UNTER KONTROLLE!!! Gefühle wollen angeschaut, gelebt und verstanden werden, nicht unterdrückt und ignoriert und Grund zur Scham sind sie erst recht nicht. Gefühle sind das natürlichste der Welt und nur, weil wir uns eine unnatürliche Welt geschaffen haben, in der es zur Norm wurde, Gefühle mittels Medikamenten auszuschalten, werde ich mich nicht länger dafür schämen, meisterhaft an dieser Norm gescheitert zu sein!! Hiermit klinke ich mich dann mal ENDGÜLTIG aus diesem Wahnsinn aus und verspreche mir selbst hoch und heilig, NIE WIEDER meine Gefühle unterdrücken zu wollen, schon gar nicht wegen anderen!!!

Wenn ich mich also das nächste Mal auf der Straße, während dem Training, beim Einkaufen, in der Bahn oder sonstwo in der Öffentlichkeit mies fühle, traurig bin und mir die Tränen kommen, aus welchen Gründen auch immer, werde ich sie nicht mehr verbergen oder zurückzuhalten versuchen, mich dafür entschuldigen oder mich gar schämen und zurückziehen, um anderen meinen Anblick zu ersparen. Ich werde sie frei fließen lassen und dazu stehen, weil es MEIN RECHT ist, ICH DARF MIR MEINE GEFÜHLE ERLAUBEN UND TUE ES!!! Und wen immer das stört, wer immer sich von meinen Gefühlen persönlich angegriffen und belästigt fühlt, hat seinerseits das Recht, sich von mir zurückzuziehen und fern zu halten und muß sich NIE WIEDER mit mir abgeben!!

⭐

Ich bin mir der Wut und Aggression in diesem Beitrag bewußt, es liest sich stellenweise wie von einem pampigen Kind geschrieben und so sehr es mich einerseits plagt, diese „schlechte“ Seite hier von mir zu präsentieren, so ist es mir andererseits SCHEISSEGAL, denn ja, in mir sitzt gerade ein SEHR pampiges Kind, das endlich wahrgenommen und gehört werden will. Wut und Aggression sind AUCH Teil von mir (und eines jeden Menschen), ich habe sie viel zu lange unterdrückt und will sie Tausendmal lieber hier rauslassen, als noch ein einziges Mal auf die Idee zu kommen, mir selbst jemals wieder weh zu tun – das war nämlich leider schon wieder mein erster, automatischer Gedanke nach diesem beschissenen Telefonat. Aber bei dem Gedanken hat sich dann plötzlich ganz unerwartet mein Ego eingeschaltet und, man höre und staune, es hat Partei FÜR MICH ergriffen und steht mir seitdem schützend zur Seite!! Zum ersten Mal lenkt es meine Wut plötzlich WEG von mir, WEG von selbstverletzendem Verhalten und Selbsthaß, einfach nur WEG von diesen blödsinnig selbstzerfleischenden Gedanken, wie ich es gar nicht kenne. Es erinnert mich plötzlich daran, nicht mich dafür zu hassen, daß ich so vermeintlich anders bin, sondern mich für meine Einzigartigkeit zu lieben und mir Gutes zu tun. Es erinnert mich daran, daß es an mir liegt, was ich aus dieser ganzen Sache jetzt machen und lernen will und ob ich meine Wut zerstörerisch oder konstruktiv nutzen und einsetzen will. Und es erinnert mich daran, daß ich nicht nur jedes Recht habe, wütend und pampig zu sein, ich kann auch SO LANGE wütend und pampig sein, WIE ICH WILL und wie mein inneres Kind es braucht.

Joa und jetzt habe ich wieder das Gefühl, das eigentliche Thema nicht so getroffen zu haben, wie ich wollte, aber gut, was soll’s. Ich habe den Beitrag die letzten Tage über mehrmals angefangen und mich immer wieder verfranst, weil das Telefonat auf so vielen Ebenen so viele, mit einander verbundene, Gedankengänge loslöste, die ich teils nur schwer aufgedröselt bekomme. Naja, aber dafür, daß ich üüüberhaupt keine Lust hatte, ihn zu schreiben (aber er MUSSTE raus), ist er doch noch ganz passabel geworden. 😉